Germany's Next Topmodel - Staffel 14 Folge 1

Packt eure Freundinnen am Krawattl, es ist so weit! Heidi Klum begibt sich auf die Suche nach „Germany’s Next Topmodel 2019“. Und weil in dieser Staffel heimlich und schleichend jede Form von Mitspracherecht abgeschafft wurde, wird uns statt einem umfangreichen Casting direkt die Top 50 präsentiert – beziehungsweise ohnehin nur die 30 vors Mikro gebeten, die es auch in die nächste Episode schaffen.

 

Heidi first!

 

Wie wir durch umfangreiche Online-Bewerbung und Programmtrailer, die im Powerplay laufen, längst mitbekommen haben, steht das Motto dieser Staffel unter „More Glam! More Stars! More Heidi!“. Mehr Glam, sowieso. Mehr Stars, yeah! Aber mehr Heidi? Ist es nicht genau ihre pure Anwesenheit, die die Models zum Komplett-Versagen inspiriert? Egal. Ein totalitäres Model-Regime funktioniert einfach nur mit einer starken Frau an der Spitze, weshalb sich Heidi sogleich ihrer Jury-Kollegen entledigte, die ohnehin viel zu viele Sympathiepunkte auf Kosten der Modelmama einheimsten. Thomas Hayo dankte schon kurz nach Staffel 13 „freiwillig“ ab, Michael Michalsky wurde kurz darauf genötigt, sein tägliches B(r)otox jetzt tatsächlich wieder mit „Mode“ zu verdienen. Schluss mit Teambattles, Schluss mit Michalskys NLP-Überzeugungskünsten. Heidi first! Übrigens exakt das Motto der diesjährigen Signation, in der Heidi in siebenfacher Ausführung mit unterschiedlichen Styles zur Musik von – haltet euch fest – „Tokio Hotel“ tanzt.
„Sie ist so wandelbar!“, sagen die einen. „Der Gipfel der Selbstverliebtheit“, sagt meine Freundin Julia.

 

Take me back to the stars…

 

Wer dem Format nicht auf Instagram oder Facebook folgt und noch keinen Dunst hat, was die Models heuer erwartet, dem soll der Trailer Abhilfe verschaffen. „Jeder Moment ist der einzige Moment“, mahnt Heidi darin. „Es gibt keine Wiederholung!“ Da dürfen wir uns also wieder auf oscarreife Videodrehs freuen. Außerdem wird es heißer denn je, was ich in Anbetracht der Schnee-Orkan Bilder aus Ischgl nur schwer glauben kann. Es gibt mehr von allem: Mehr Stars, mehr Shootings, mehr Fashion, mehr Spannung, mehr Emotion – wobei ich auch da anmerken muss, dass mir bis auf die verstärkte Emotion nichts hängengeblieben wäre, wenn wir Tourette ähnliche Gefühlsausbrüche als „emotional“ bezeichnen wollen. Eher als unterzuckert und für das Gemeinwohl bedrohlich.

 

Mehr Stars halte ich auch für schwierig: Es sind dieselben Verdächtigen wie immer, minus der zwei fixplatzierten Jury-Mitglieder. Ein klarer Fall von Etikettenschwindel. So beehren uns überraschenderweise die Superstar-Fotografen Rankin und Kristian Schuller, deren tatsächlichen Promistatus ich schon letzte Staffel zur Diskussion gestellt habe, Ex-Gewinnerinnen wie Lena Gercke und Stefanie Giesinger, der Alumniverein bestehend aus Wolfgang Joop und Michael Michalsky und die „Victoria’s Secret“-Girlfriends Gisele Bündchen und Winnie Harlow um nochmal in Erinnerung zu rufen, welch große Laufstegkarriere hinter Heidi liegt. Wenn jetzt auch noch Nikeata Thompson dabei ist, bin ich wirklich geflasht über solch kreatives Einladungsmanagement.

 

Darf ich vorstellen: Die Konkurrenz, die nicht schläft!

 

Natürlich ist nicht nur die Jury sondern auch der Cast im Grunde derselbe. Aber was sollen sie auch machen? Eine Staffel nur mit Asiatinnen zu befüllen, kann schließlich auch nicht die Lösung sein. Und auf den Trend der „Blind Audition“ würde ich bei einer Modelshow auch nicht unbedingt aufspringen. Es gibt die Freundinnen von irgendwelchen YouTubern, die ich sowieso nicht kenne, weil das einfach nicht meine Generation ist. Es gibt Mädchen, die nicht den durchschnittlichen Geschlechts-Konventionen und sexuellen Orientierungen entsprechen, wie die zutätowierte und zugegeben schwach pigmentierte, bisexuelle Melissa und Tatjana, die als Junge auf die Welt gekommen ist. Und es gibt angeblich vier Österreicherinnen – eine darunter, die ehemalige „Austria’s Next Topmodel“-Teilnehmerin und OE24-TV-Moderatorin Bianca Olivia, die es geschafft hat, unser Land ausnahmsweise mal nicht zu blamieren. Mag auch an ihren sieben Sekunden Fernsehpräsenz liegen, denn sie musste schon nach dem ersten Blickkontakt mit Heidi wieder die Heimreise antreten. Aber auch die Russen machen sich mal wieder einen guten Ruf: Anastasiya – die Frau, die selbstkritischer und devoter nicht sein könnte und die das Ego-Motto „Jeder Satz eine Beleidigung“ zur Gänze auslebt.

 

Statt einem Casting gibt es diesmal „Mehr Intimität“ bei einem freundlichen Get-Together in Berlin. Die Einladungen dazu werden von der Top vier des Vorjahres überbracht – nur Christina wurde ausgespart und von Klaudia mit K ersetzt, auch wenn Christina das bestimmt sehr gut gemacht hätte. Wenn nicht sogar am besten. Es ist schön, die gewohnten Gesichter neben all diesen Neulingen wieder zu sehen, wenn auch Toni am Weg in die Hauptstadt ihre Augenbrauen in der S-Bahn liegen hat lassen. Klaudia mit K hat die Ehre, Transgender-Model Tatjana zu überraschen. Die Überraschung gelingt jedoch nur semi-erfolgreich. Hatte Tatjana leider keine Gelegenheit sich feminin herzurichten, was Klaudia mit K wiederum die Türnummer überdenken ließ. „Bin ich hier richtig?“, fragt sie und sieht sich hilflos in der Wohnung um, ob es neben Tatjana doch noch jemand anderen geben könnte, der mit der Einladung gemeint sein könnte.

 

Nahrung wohin das Auge reicht und kein Bissen zu essen

 

Kandidatin Theresia findet ihren Weg selbst nach Berlin, wenn auch sie mit ihrem Koffer und dem – sagen wir, sehr „speziellen“ Outfit – so aussieht, als hätte sie ihr knapp 60-jähriger Verlobter nach einer durchzechten Partynacht im „Kit Kat Club“ auf die Straße gesetzt. Aufgefangen wird sie von Prosieben und einem guten „Pappi“, das beim Get-Together auf sie wartet. Deftige Süßspeisen, bunte Burger und saftige Früchte stehen bereit und doch traut sich keine zuzugreifen. Ist es doch besser jetzt schon zu trainieren, wie es sich anfühlt, wenn Heidi sich vor ihnen einen Döner reinzieht und es für die Mädchen backstage nur Wassermelone gibt. Kandidatin Joy zollt der gespielten Zurückhaltung nur wenig Tribut und schiebt sich einen Doughnut nach dem anderen rein. „Die isst! Oh mein Gott, da isst eine!“, empören sich die Mädchen. „Wie kann sie nur nicht auf Heidi warten?“ Als würde Heidi nach dem ganzen Grieß- und Kaiserschmarrn, zubereitet vom Future-Husband, noch ein Gramm Zucker zu sich nehmen. Weil der Gusto dann doch überhandnimmt, beginnen die Mädchen wie nach dem Kasperl jetzt nach Heidi zu rufen: „Heidi, Heidi, Heidi, Heidi!“

Können die ja noch nicht ahnen, dass Heidi die Einzige (oder die Einzigste, wie die Deutschen so gern sagen) sein wird, die die Mädchen heuer mit ihrer Dauerpräsenz beehrt. Hätten sie mal besser nach Thomas oder Michael geschrien, aber im Nachhinein ist man bekanntlich immer klüger.

 

Namaste! Ist das nicht irgendwas Neues von Lipton?

 

Beim gemeinsamen Essen entdeckt die weltoffene Heidi Inderin Sayana. „Ich liebe Indien“, platzt es aus der Modelmama heraus. „Echt, warst du schon mal da?“ „Ganz oft“, nickt Heidi bestätigend, als würde sie ihre tägliche Reinigung standardgemäß im Ganges einnehmen. Vielleicht aber hat sie Indien auch mit China Town verwechselt, denn als sie später Sayana mitteilt, weiter zu sein, hält sich Heidi die fremde Kultur ehrend die Hände wie im Karate betend vors Gesicht. Sayana, die natürlich nicht unhöflich sein will, und davon ausgeht, dass es sich hier wohl um irgendeine deutsche Tradition handeln muss, tut es ihr gleich.

Zehn Mädchen haben weniger Glück und werden schon nach dem ersten Catwalk ausgesiebt. Für die vierzig übrig gebliebenen geht es am nächsten Tag zur ersten richtigen Fashion-Show. Mögen diesmal mehr Gäste anwesend sein als letztes Jahr in der Karibik.

 

Nico Santos is shouting from the rooftop, baby! Since thirty minutes!

 

Die Mädels rätseln, wer wohl der Designer der Show sein wird, wobei es nach dreizehn Staffeln auf der Hand liegt, dass es entweder Wolfgang Joop oder Michael Michalsky ist. Gibt schließlich sonst niemanden auf der Welt, der Mode macht. Zweiteres ist es dann wirklich und pirscht sich langsam an das Model-Frischfleisch heran. Die Freude über Michael hält sich, anders als in den Vorjahren, in Grenzen. Will man Heidi doch nicht vermitteln jemand anderen lieber zu mögen als sie. Anastasiya ist ohnehin unbeeindruckt von jedem, der nicht sie selbst ist, und fragt Michael ob sie die Show schließen und dabei ein Brautkleid tragen darf. Klar! Funktioniert in der echten Modelwelt doch genauso.

 

Gastjurorin Nummer eins ist Topmodel-Gewinnerin der ersten Staffel Lena Gercke. „Ewig nicht gesehen!“, rufen sich Lena und Heidi zu. Wahrscheinlich exakt dreizehn Jahre nicht. Damit Lena das Gefühl bekommt, auch irgendeine Form von Mitspracherecht zu haben, bekommt sie eine Wildcard, die sie zum Schutz einer Eliminierten zücken darf. „Die werden die Juroren aber nur manchmal bekommen“, erklärt Heidi, um dem Funken Demokratie auch gleich ein Ende zu bereiten.

 

Wie in Heidis „Victoria’s Secret” Zeiten, gibt es bei der Modenschau sogar Live-Musik. Nico Santos!!! (Jubel bei den Models, wobei die sich auch über den Tontechniker freuen würden, solange Heidi prüfend vor ihnen steht.) Für alle, die keine Ahnung haben wer Nico Santos ist: Er hatte einen Hit. Einen. Und diesen einen Hit wird er die ganze Show durchgehend zum Besten geben. Strategisch gut: Lebt Mariah Carey bis heute gut davon, einen erfolgreichen Weihnachtssong geschrieben zu haben.

 

Wie jetzt, kein Foto?

 

An sich schlagen dich die Mädchen nicht schlecht und das obwohl sie Bekanntschaft mit dem Choreografen machten durften. Bei dem vermutete man zuerst, dass dieser sich – wie die Dame letztes Jahr am karibischen Strand, unabsichtlich ins Bild verirrt hat. Oder „Schlangenzunge“ aus „Herr der Ringe“ endlich noch einmal die Möglichkeit bekommen hat, für eine zweite Rolle gecastet zu werden.

Anders als die Optik des Choreografen ist die Choreografie einfach zu verarbeiten: Nach vorne laufen, posen, nach hinten laufen, fertig. Joy dürfte sich nach „posen“ wieder dem Buffet zugewandt haben und wusste, als sie schließlich vorne stand, einfach nicht mehr wie es weiter geht. „Gibt es eine Luke auf dem Boden? Nein. Ist hier irgendwo ein Ausgang? Auch nicht. Na dann werde ich wieder zurücklaufen müssen“, schien ihr innerer Monolog zu sein. Also ging sie angepisst zwecks mangelnder Instruktionen wieder retour. Theresia hingegen möchte am Catwalk ihre höfliche Seite zum Ausdruck bringen und reicht Nico Santos die ausgestreckte Hand. Guten Tag! Eine andere wiederum ist nicht in ihrer persönlichen, aber körperlichen Haltung ausbaufähig. „Ich hab, glaube ich, gesagt, du läufst wie so ein Trampel“, bringt Heidi dem Mädchen liebevoll bei. „Du hast Bauer gesagt“, hilft Lena Heidi auf die Sprünge und macht die Kritik um noch einen Hauch konstruktiver.

 

Für dreißig Model-Anwärterinnen gibt es dann doch lobende Worte und sie dürfen in die nächste Runde einziehen. Wenn auch Kandidatin Enisa enttäuscht ist, trotz Weiterkommen kein Foto zu kriegen. „Ohne Fotoshooting schwer“, sagt Heidi, die ihr aus reiner Höflichkeit zumindest ein Stückchen Bodenbelag hätte anbieten können. Fotos müssen sich die Models in der nächsten Woche verdienen, so wie das karriereorientierte Frauen heutzutage tun: gut gestylt trotz widrigsten Bedingungen. 

 

 

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