Gerda J. Lewis ist „Die Bachelorette“ – Staffelauftakt (Folge 1 + 2)

Mehr Freaks braucht das Land – so der musikalische Auftakt zur neuen Staffel „Die Bachelorette“. Wie weise dieses Stück zeitgenössische Musik doch ist – finden sich wahrlich so einige Unikate unter den zwanzig Rosenkavalieren. Doch wer wird es erobern, das Herz der schönen Ex-Topmodel-Kandidatin Gerda? Polizist Tim, der wie durch ein Wunder hier die Frau fürs Leben sucht, oder doch der dunkelhäutige David, der ganz zu Gerdas Verwundern Deutscher ist, auch wenn sie sich zweimal nach seiner ursprünglichen Herkunft erkundigt. Hätte Bayreuth – Lebensmittelpunkt des für die Influencer-Szene völlig unbekannten Komponisten Richard Wagner – schließlich auch in Zentralafrika liegen können. Aber wollen wir einmal nicht zu weit vorgreifen, sind doch noch achtzehn weitere paarungswillige Deutsche und mindestens ein peinlicher Österreicher unter der Meute, die zumindest für den Schein eine realistische Chance haben sollten, die letzte Rose zu erhaschen.

 

Große Auswahl, nichts bekömmlich – Ein Abend im Running-Sushi-Lokal oder das traurige Fazit der Bachelorette

 

Gerda, die im wahren Leben sicher Schwierigkeiten hat, einen akzeptablen Partner zu finden, kann sich als frisch gekrönte Bachelorette besonders glücklich schätzen über die reiche Auswahl an Mannsbildern, die ihr geboten wird. Und was sind da wieder für Schmankerln dabei! Da lasse ich mir natürlich nicht nehmen, selbst ein paar Favoriten zu benennen. Etwa den, der laut eigenen Angaben „Aus’m Arsch pisst“ vor Vorfreude auf das Kennenlernen mit der unbekannten Blondine. Schmeichelhaft und einzigartig zugleich. Kann das schließlich nicht jeder und irgendwie muss man sich von der Menge abheben. Auch schön: Leckerbissen Nummer zwei, der anders als alle anderen nicht für den verpönten „Fame“ hier ist. Volltreffer. Wozu noch jemand anderen daten? Komplizierter wird es bei jenem Kandidaten, der „das Rosensystem noch nicht geblickt hat“. Zwar scheint ihm klar zu sein, dass man mit einer Rose weiterkommt, aber dass am Ende nur eine einzige verteilt werden soll, erscheint ihm unlogisch. Hat er doch sowieso zweieinhalb Freundinnen daheim und ist nur hier um noch auf die volle Drei aufzustocken. Aber nur wenn sich die Bachelorette auch redlich um ihn bemüht, klarerweise. Mit der verschwommenen Wahrnehmung des eigentlichen Sendungskonzepts schafft es dieser Kandidat immerhin bis in Folge zwei und muss erst dann die Heimreise zu seinen anderen Ladies antreten. Grande Finale auf meiner Hitlist: Der Typ, der von seiner Ex-Freundin angemeldet wurde. Zeugt von einer fruchtbaren Beziehung, wenn es der Dame selbst nach der Trennung ein besonderes Anliegen ist, den losgewordenenen Hauptgewinn von Lebensabschnittspartner in ein anderes Land zu verschachern.

 

Bei der „Bachelorette“ riechen selbst Knoblauch und Zwiebel nach Luft und Liebe

 

Die Ex-Freundin hat Erfolg. Für die diesjährige Staffel geht es nach Athen oder auch, wie ein Kandidat zusammenfasst, nach „Griechenland – das Land der schönen Frauen und Oliven“. Ist ja alles ein und dasselbe. Reif und prall sollen sie sein, wo wir tatsächlich bei Gerda und dem beliebten Antipasti-Gemüse wären. „Hier riecht’s auf jeden Fall nach Liebe“, analysiert ein anderer, der in weiser Voraussicht auf künftige Tzatziki-Ausdünstungen schon provisorisch die rosarote Brille aufgesetzt hat und in allem etwas Romantisches erkennen kann. Man hofft jedenfalls, dass sich die Kandidaten beim Buffet eher auf geruchsneutralere griechische Köstlichkeiten gestürzt haben, bevor es gleich zum großen Aufeinandertreffen mit der noch unbekannten Bachelorette kommt. Wobei der Hunger schon Überhand nehmen kann, wenn man darauf warten muss, dass zehn übergroße Limousinen auf den perfekt sanierten Straßen Griechenlands, die nicht selten neben lustigen Schlaglöchern auch wagemutige Klippenabgänge offenbaren, vor einer abgelegenen Villa vorfahren können.

 

Wieder einmal sehen wir eineinhalb Stunden zu, wie zwanzig Leute aus einem Auto steigen

 

Das Konzept der ersten „Bachelor/ette“-Folge ist schon immer ein Härtetest für alle Trash-TV-Freunde gewesen. Einem Menschen dabei zuzusehen, wie er zwanzig anderen einzeln die Hand schüttelt und „Hallo“ sagt, ist an Anspannung kaum zu übertreffen. Getoppt werden diese Gänsehautmomente nur noch von Dialogen, die selbst Michel Houellebecq nicht eindringlicher zu schreiben vermag. Er: „Ich bin so aufgeregt!“, Sie: „Ich freu mich mega.“, Er: „Ich auch, krass.“, Sie „Ok cool, sehen wir uns später.“, Er: „Ok, cool, mega.“, Er nochmal: „Ach du Scheiße, geil!“
Gemeinsamkeiten (sogar lebensnotwendige) sind dabei schnell gefunden: Er: „Mein Herz schlägt!“, Sie: „Geht mir genauso!“ – eine nicht zu missachtende Basis für weitere Episoden.

 

Interessant ist aber auch Marco, der sich nach jeder Frage, die Gerda ihm stellt, höflich erkundigt, ob er auch wirklich gemeint ist. Sie: „Wie groß bist du?“, Er: „Ich? Ein Meter vierundneunzig.“, Sie: „Wie alt bist du?“, „Er: Ich? Ich bin sechsundzwanzig.“, Sie: „Und, wo kommst du her?“, Er: „Ich? Jetzt aus München.“

 

Das einzige Kriterium, das Gerda akribisch auskundschaftet, ist, wie die Herren der Schöpfung zu ihrem Geburtsland Litauen stehen  – muss man mit den Wurzeln des Partners schon was anzufangen wissen. „Kennst du das?“, fragt sie immer wieder streng nach. Als wäre Litauen kein eigenes Land, sondern international in etwa so bekannt wie das Shopping Center Nord im nördlich gelegenen Floridsdorf. Hätte sie mal besser gefragt was man in Litauen als Nationalgericht serviert – da wäre ich beeindruckt gewesen, wenn prompt einer „Cepelinai“ rausbrüllt.

 

Kampf um Gerda: Runde eins

 

Nachdem in Folge eins schon drei Kandidaten das Feld räumen müssen, wird es in Folge zwei Zeit, die Kandidaten näher kennenzulernen. Es kommt zu den ersten Dates, bei denen überraschenderweise viel Alkohol am Morgen und ein Helikopter involviert sind, und zu richtungsweisenden Prüfungen, in denen die Bachelorette die Männlichkeit ihrer Bewerber auf die harte Probe stellt. Etwa beim minutenlangen im Unterarmstütz Verharren, beim Autoreifenwechseln oder beim Zwiebel-Schneiden. Ist diese Show ja auch nicht von Vorgestern! Darf ein Mann genauso brav den Kochlöffel schwingen, solange ihn die Frau daneben im sexy Cropped-Top anfeuert, wie gut er das macht.

 

Der Kampf um die schöne Gerda ist also eröffnet und mit ihm der Wetteifer um den schlausten Spruch. In Führung geht für mich persönlich „Was juckt es eine deutsche Eiche, wenn ein Wildschwein sich daran kratzt“, bezugnehmend auf einen sich wieder überaus beliebt machenden Österreicher, der vorgibt Pilot zu sein und dann aber doch keiner ist. Ein No-Go, daher rät ein anderer der deutschen Eiche, dass er „Trotzdem zeigen muss, wer der King im Ring ist“. Richtig, vor allem wenn es sich so schön reimt. Versöhnlicher zeigen sich die Optimisten, die statt Streit anzuzetteln lieber auf den Klassiker „Einer für alle, alle für einen“ zurückgreifen, abgerundet von der realitätsnaheren Fraktion, die sich mit dem Credo „Eine Ratte bleibt eine Ratte“ behilft, was mich theoretisch auch gleich zu Folge drei führen würde, wo wir Bekanntschaft mit einem Wiederholungstäter machen. Aber dazu nächstes Mal mehr.

 

Der Liebling der Woche

 

Und bevor uns nichts Weiteres übrigbleibt, als uns auf die nächste Folge zu freuen, führe ich feierlich eine neue Kategorie ein. Die des „Lieblings der Woche“, der nun wöchentlich neu gekürt, meine persönliche Auszeichnung erhält, mit besonderem Charme geglänzt zu haben. Und obwohl die Ehre eigentlich Porsche-Fahrer Fabio zuteilwerden sollte – einfach weil er einen so schönen Raucherhusten hat und mich optisch an Sid von „Ice Age“ erinnert, musste ich ihn wieder von der Nominierten-Liste streichen, als er Gerda in der Nacht der Rosen ihren ersten Korb verpasst und freiwillig das Feld räumt. Wir Mädels müssen doch zusammenhalten, weshalb ich mich für die zweitbeste Option entschieden habe:  Harald – jener schlaksige Mann, der sich lallend mit einem Kölschen Lied, das ich fälschlicherweise anfangs für eine arabische Volksweise hielt, der Bachelorette vorstellte und auch die restlichen Folgen geschafft hat, in keiner einzigen Kameraaufnahme ohne ein alkoholisches Getränk abgelichtet zu werden. Ich verneige mich und sage „Prost!“, oder besser noch „Jamas!“, verweilen wir schließlich gerade in Griechenland.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0