Melissa Damilia ist "Die Bachelorette" - Folge 1

„Like a match to a flame” bin ich auch schon Feuer und Flamme für die siebte Staffel der „Bachelorette“. Hab ich meine Hausaufgaben über den Sommer ja gemacht und als ambitionierte Profilerin im Superstress zwischen „Love Island“, dem „Sommerhaus der Stars“, „Ninja Warrior Germany“ und „The Taste“ auch noch die „Love Island“-Staffel aus dem Vorjahr sowie „Kampf der Reality Stars“ reingequetscht, um mir ein adäquates Bild über die neue Angebetete der Nation zu verschaffen. Und was soll ich sagen: spektakulär ist dann doch irgendwie nur die Armverzierung.

 

Melissa Damilia – eine menschliche Tragödie

 

Aber hier nochmal für alle im Schnelldurchlauf: Die süße Melissa geht 2019 zu „Love Island“ um die wahre Liebe und nichts anderes als die wahre Liebe zu finden und findet schlussendlich nur Danilo. Keinen Sahnejoghurt, aber einen läufigen Italiener, der sich zuerst zu Asena, dann zu Melissa und am Ende nur zu Dijana hingezogen fühlt und die arme Melissa – die nicht aus dem plötzlichen Asena-Abschuss ihre Lehren gezogen hat – kurz vor dem Finale alleine auf der Insel der Liebe stehen lässt. Zurück in Deutschland wartet ein weiterer Italiener auf Melissa, dessen Appetit jedoch ebenfalls bereits nach der Primi Piatti gestillt ist und prompt darauf „il conto“ bestellt: Pietro Lombardi. Einsam und verlassen und ganz TV-Deutschland schon mit ihr leidend landet sie also bei „Kampf der Reality Stars“, wo ihr zwar letztendlich kein Italiener auflauert, aber Möchtegern-Französin Georgina Fleur, die ihr schließlich den letzten Nerv kostet.

 

Gebeutelt wie ein Kriegsveteran, der die düsteren Täler dieser Trash-TV-Formate erfolgreich hinter sich gelassen hat, schreitet Melissa also jetzt ganz nach Gladiatoren-Vorbild Russell Crowe durch die unendlichen Weiten der Schwäbischen Haferfelder und lässt das „Bachelorette“-Intro für sich und ihre Person sprechen. „Ich bin eine so starke Frau geworden“, verkündet sie darin und schafft es zum ersten Mal in ihrer TV-Laufbahn ihre Tränen für sich zu behalten. Und das soll was heißen: Wird sie gleich darauf zwecks der Schnittbilder auf 13-Centimeter-Heels quer durch Stuttgart gescheucht.

 

Vom „Arschzeigen“ über’s „denken können“

 

20 Männer buhlen auch heuer um das brachliegende Herz der Bachelorette – vorrangig Südländer, hat das der Bachelorette nämlich bisher immer außerordentlich viel Liebesglück beschert. Von Angelo bis zu Saverio ist alles vertreten, was einst mit Spaghetti Bolognese oder anderweitig Mediterranem sozialisiert worden ist. Corona-Krise hin oder her – bei der Bachelorette sind die Grenzen offen und ein gemeinsames Europa besser praktiziert als in unserer heißgeliebten Union.
Obwohl Schlafplätze und Sanitäranlagen in manchen Teilen Griechenlands gerade Mangelware sind, kommt die Bachelorette samt Nachrungsmittel-Hilfspaket und Herberge suchendem Harem mit nur wenigen Wochen Verspätung auch heuer wieder im sonnigen Griechenland an. Klarer Heimvorteil für Quoten-Grieche Ioannis, sollte die Produktion einmal nicht wissen, wo man hier einen Hubschrauber für das nächste Einzel-Date chartern kann.

 

Die bedrohliche Stimme aus dem Off kündigt an: der erste von insgesamt sieben Wägen – ist sieben doch die Glückszahl unserer Bachelorette – ist unterwegs. Während ich mir noch eingestehe, dass heuer zumindest der leichter einzuhaltende Mindestabstand für die absurde Anschaffung von zehn Limousinen spricht, überrascht mich RTL von Neuem: Weil sich eine überschwappende Viren-Kontamination in Anbetracht der bevorstehenden vierzig Küsschen links und rechts wohl nicht vermeiden wird lassen, reisen die werten Herrschaften nämlich erstmals zu dritt anstatt zu zweit und dann auch noch zusammengedrängt auf der Rückbank eines Kastenwagens an. War früher einfach wirklich alles besser. Früher, als man die Bachelorette noch nach ihrem Namen fragen konnte, ohne die Antwort aus diversen anderen Vorgänger-Formaten bereits zu kennen. Denn es zeigt sich: nicht nur ich habe in Dauerschleife beobachtet, wie Melissa sich 24 Folgen lang in ihr Unglück knutschte – auch die aus Deutschland importierten Minnesänger wissen bis auf wenige Ausnahmen über die gesamte TV-Biografie der gebeutelten Schwäbin Bescheid. Immer gut, um Momente des peinlichen Schweigens gekonnt zu überbrücken. „Und ..? Mal wieder von Pietro und Danilo gehört?“, hat noch jedes Eis bei der lieben Melissa gebrochen.

 

Basierend auf diesem gravierenden Small-Talk-Vorteil lebt also die Hoffnung, dass der Aussaat an Verflossenen bald ein ernstzunehmender Ehrenmann hinzukommt. Ist die Auswahl doch enorm! Da wäre etwa Rouven, dessen Markenzeichen das „Arschzeigen“ ist. (Soll noch einer sagen, unsere Generation gehe vor die Hunde.) Oder Österreicher Daniel, der jeden Satz mit den Worten „seit ich denken kann“ beginnt. Muss also ein wahnsinnig prägender Moment für ihn gewesen sein. „Es ist eine Mamacita!“, freut sich wiederum der kubanisch-spanische Manuel beim Anblick seiner Herzensdame, wobei die Gefahr einen Papageno vorgesetzt zu bekommen, niemals sonderlich hoch war. Und auch Menderes Bagci hat sich seinen besten Hut geschnappt und als Barkeeper Emre getarnt einen Auftritt ergattert. Singen kann er zwar noch immer nicht, dafür eine Sektflasche sabrieren. Lässt sich der ein oder andere Schaumwein-Produzent vielleicht doch noch zu einem verspäteten Sponsoring hinreißen.

 

Die Konversationen laufen so, wie diese beim ersten Aufeinandertreffen sowohl im männlichen als auch weiblichen Pendant dieser Kuppel-Show verlaufen: Ein jeder betet zu Gott, findet alles geil, spricht sich später noch einmal und – ganz wichtig – ist furchtbar aufgeregt. Wobei so aufgeregt wie heuer waren sie bisher noch nie. Mag der Pandemie geschuldet sein, die aktuell über den Globus wütet – aber hätte ich zu jedem Mal „ich bin so aufgeregt“ einen Martini Fiero getrunken, wäre ich jetzt tot. Oder so hochgradig besoffen, dass mir selbst Donald Trumps Idee Desinfektionsmittel zu injizieren als durchaus beachtenswert erschienen wäre.

 

Nachdem auch die Kandidaten rund vierzehn Gläser Sekt intus haben, ist Schluss mit lustig. Adriano muss gehen und reißt sich voller Wut die Mikrokabeln von der Wampe. Ein weiterer irrer Italiener, der künftig mit dem Namen Melissa Damilia in Verbindung gebracht werden wird. Möge es der letzte sein.

 

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