Moment, Moment, wo sind wir denn hier? This Girl ist nicht on fire sondern laut Intro ein Bad Girl, das in Oceans-Apart-Klamotten schnell lebt, jung stirbt und mit gefesselten Händen zu einem Bang bläst. Bitte was??? Gleich umschalten, bevor die Nachbarn Hilfe rufen. Unmöglich beim Schönwetter-Format Bachelorette gelandet sein, oder halt … vielleicht doch nicht?
Von Wahnwitz und Pioniergeist
2022. Das Jahr der Diversity. Bei Burger King gibt’s nur Burger mit zwei Böden oder zwei Deckeln, bei Germany’s Next Topmodel nur gefolterte Teilnehmerinnen mit eingecremten oder nicht eingecremten Füßen und bei der Bachelorette eine Angebetete, die sowohl mit als auch ohne Haarpracht 20 einsame Männerherzen um sich scharen will. Wo wir gleich beim wesentlichsten Aspekt wären: Denn RTL+ ist so inklusiv unterwegs, dass es sogar eine Frau mit kreisrundem Haarausfall zur Venus des Jahres geschafft hat. Ich persönlich halte den Schwanenkönig und Ex-Bachelor Sebastian Preuss mit Bindungsängsten, Tierqual-Skandal und Gefängnis-Hintergrund noch immer für die weit härtere Bürde, aber bei einer Frau mal beim Optischen vermeintliche Abstriche zu machen, ist schon wahnwitzig divers.
Die Katze im Sack
Um mit offenen Karten zu spielen, wird die neue Bachelorette gleich nach dem Intro zur Beichte gebeten. Hobbys, Lieblingsfarbe und Beruf nebensächlich – erst mal offenbaren, dass sich unter der Perücke ein Hauch von nichts befindet. Will man die Männer ja nicht nötigen, die Katze im Sack zu kaufen. Schlimm genug, dass sich die nach zwei mittelmäßig aufregenden Brünetten wieder auf Frauentyp Gerda einstellen und plötzlich mit Naomi konfrontiert werden. Man freue sich jetzt schon auf die Erstgespräche, in denen die Bachelorette gefragt wird, woher sie denn käme und die Antwort schlicht Köln ist.
Doch zuerst atmen wir aus. Die Glatze ist vom Tisch, also haben wir endlich die Möglichkeit, spannende Details über die Frau der Stunde zu erfahren. Mein erster Freudenschrei zur Abwechslung einmal jemanden ohne Promistatus vorgesetzt zu bekommen, verstummt schneller als erwartet: ist Sharon Battiste Teil der Grimme-Preis-verdächtigen Hitserie Köln XY Ungelöst (oder so ähnlich). Ärgerlich, allerdings kann man von RTL wirklich nicht erwarten, alle Diversitätskämpfe allein auszutragen und dem Haarausfall mit mangelndem Bekanntheitsgrad auch noch die Krone aufzusetzen.
Ganz großes Kino!
Um dem schauspielerischen Background der Bachelorette Rechnung zu tragen, hat sich das Sendungskonzept gewandelt. Wir sind jetzt filmischer – fast cineastisch unterwegs! Als hätte Stanley Kubrick höchst persönlich gesagt: Für ein Gratis RTL+ Premium Abo mach ich euch das! Wie aus einem 365-Tage-Traum entsprungen, finden sich also die 20 paarungswütigen Kaliber auf einer Tafel inmitten des thailändischen Buschs ein. In Zeitlupentempo wird sich bei fluoreszierendem Farbfilter gegenseitig gefüttert, der Hummer mit bloßen Händen in der Mitte zerteilt, eine Blume lieblich hinters Ohr gesteckt, eine Physalis in die Kehle des Gegenübers befördert und der Nachbar mit einer überschäumenden Flasche Spumante gesäugt.
Befremdlich und so männlich zugleich, dass sich die Szene nur mit einem erbitterten Kampf um Leben und Tod auflösen lässt. Oder auch mit einer Runde Schnick, Schnack, Schnuck, die aus Würdigung für das Gastgeberland mit Tsching, Tschang, Tschung betitelt wird.
Der Glöckner von Ko Samui
Das Kennenlernen erfolgt wie gehabt, nur dass die Bachelorette eben laut Kandidat Umut diesmal „was ganz Neues“ ist. Für noch mehr Gesprächsstoff sorgt nur der Trippelsteg über einen Miniatur-Teich, der beim Betreten der Villa zu bewältigen ist. Zahlreiche Schenkelklopfer inklusive, wenn die Ninja-Kandidaten testen, ob der werte Fliesenboden das aufgepumpte Gewicht über die Untiefen des Gewässers trägt.
Indessen werden beim Eingang die Gaben im Heilige-Drei-Könige-Stil überreicht. Stoff-Elefanten und magische Lollipops kommen gut an. Nur Oregano findet Sharon scheiße. Eine Frau mit Haltung eben. Ab und zu schaut eine Tigermücke vorbei, um die Stimmung mit Dengue Fieber ein bisschen aufzuheizen.
Richtigen Tiefgang kann man erst bei den anschließenden Vier-Augen-Gesprächen am Areal der Bachelorette-Villa erwarten. So wie bei Kandidat Tim, der zwischen „Ich hab gestern meine Mama angerufen und geweint“ und „Ich mag keine Oliven“ switcht. Oder Stas, der, wenn er verliebt ist, laut eigenen Angaben zur „Pussy“ wird. Apropos: Nach 40 Minuten ist es so weit und die erste gekränkte Männerseele spielt die Gleichberechtigungskarte aus: Leben wir ja in 2022, da kann die Frau schön von selber zu ihm kommen, wenn sie ein Gespräch führen will.
Eigenartiger ist da nur Mo, den eingefleischte Reality-Fans aus der ersten Staffel „Are you the one“ kennen. Im Quasimodo-Style humpelt er bei völligem Desinteresse um die Bachelorette herum und kassiert berechtigterweise schon bei der ersten Nacht der Rosen sein Ticket für den Rückflug. Mit ihm fliegt ein zweiter Bekannter: „Love Island“-Dennis, der sich dachte, die Liebe bei einer einzigen Frau zu finden, nachdem er auf der Liebesinsel von ganzen 15 abgewiesen wurde.
Liebling der Woche
Unser Liebling der Woche? Sharon. Nicht nur, weil wir uns die Namen der verbliebenen 17 Männer noch nicht gemerkt haben, aber einfach deshalb, weil wir nach Maxime Herbord dankbar für jede Bachelorette sind, die mit ihrem Esprit tatsächlich einen erbitterten Kampf um ihre Zuneigung auslösen könnte. Und weil sie nicht ablehnt, beim ersten Date zu knutschen. Na dann, auf aufregende 9 Wochen.
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